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Konferenzbericht

 

Antje Baumann

30. September 2021

urn:nbn.de:hbz:38-535554

 


Open Access PDF-Download from USB Journals, Zeitschrift für Europäische Rechtslinguistik


1 Vorbemerkung

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Die Reihe der Europäischen Symposien zur Verständlichkeit von Rechtsvorschriften wird seit 2011 vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) veranstaltet. Auf diesen Tagungen werden Aktivitäten und Instrumente aus den europäischen Ländern vorgestellt, die dazu beitragen können, Rechtsvorschriften sowohl für professionelle Rechtsanwender als auch für die Allgemeinheit verständlich zu machen. Akteure aus verschiedenen Fachbereichen nutzen diese Plattform, um sich auszutauschen und zu vernetzen und um neue Lösungen für all diejenigen zu finden, die rechtliche Regelungen entwerfen, prüfen oder übersetzen – und deren Verständlichkeit dabei wahren oder erreichen wollen.

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Am Donnerstag, dem 11. März 2021, fand das 5. Europäische Symposium zur Verständlichkeit von Rechtsvorschriften statt – pandemiebedingt zum ersten Mal als Online-Konferenz. Das Plenum der Konferenz wurde über eine Website gestreamt, so dass sehr viele Interessierte teilnehmen konnten, ohne nach Berlin zu reisen.

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Das Symposium wurde vom BMJV veranstaltet und als Beitrag zum deutschen Vorsitz im Ministerkomitee des Europarates in Kooperation mit dem Generalsekretariat des Europarates und der Europäischen Kommission für Demokratie durch Recht (Venedig-Kommission) ausgerichtet.

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Das Symposium war in 3 Panels und eine Poster-Session untergliedert. Die Panel-Vorträge waren auf jeweils 5 Minuten beschränkt, im Anschluss standen jeweils 5 Minuten für Rückfragen aus dem Publikum zur Verfügung. Jedes Panel wurde mit einer 10- bis 20-minütigen Diskussionsrunde abgeschlossen.

 

2    Plenumsteil

2.1     Eröffnung

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Den Eröffnungsvortrag „On the Comprehensibility of EU Legislation“ hielt Professor Helen Xanthaki, Dekanin für postgraduale Rechtsstudiengänge am University College London und Vorsitzende der International Association for Legislation. Sie ging vom Populismus rund um die Brexit-Kampagne aus, um zu zeigen, dass Vertrauen (bzw. Misstrauen) in die Politik mit der Kommunikation zwischen Regierung und Regierten zu tun habe. Gesetzgebung stellte sie demzufolge auch als eine Methode dar, um mit den EU-Bürgern zu kommunizieren. Dabei stellte sie fest, dass dieser „verlorene Kommunikationskanal” wiedereröffnet werden könnte und müsste. Der Brexit sei auch durch Verzerrung von Fakten möglich geworden, weil die EU es Populisten ermöglicht hat, eine populistische Geschichte zu erzählen. Es müsse erklärt werden, wer „die EU“ ist, und mit Blick auf die EU-Gesetzgebung eine klare Sprache verwendet werden. Da sich Klarheit nicht nur auf einzelne Wörter, sondern auch auf die Struktur von Texten bezieht, schlug Professor Xanthaki u.a. vor, die Erwägungsgründe – die sich bisher an Juristen richten – für eine Differenzierung zu nutzen: So könnte sich deren erster Teil etwa ausdrücklich an EU-Bürger wenden, indem er die Hauptinhalte der folgenden Vorschriften vermittelt und den Grund, warum dies auf EU-Ebene (und nicht auf nationaler Ebene) geregelt werden soll. Da die EU-Gesetzgebung nicht mehr ihren (alten) Zweck erfüllt (die EU-Staaten „anzusprechen“), sondern EU-Verordnungen heute ja auch direkt (unmittelbar) gelten, müsse man den Mehrwert von EU-Gesetzgebung neu begründen, damit die populistische Erzählung von der Verdrängung nationaler Gesetzgebung nicht verfange. Weitere Vorschläge finden sich im Beitrag von Professor Xanthaki.

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Nach dem Eröffnungsvortrag begrüßten Elke Schade und Alexandra Kratz als Veranstalter des Symposiums nun noch einmal offiziell alle, die sich zugeschaltet hatten. Gemeinsam leiten sie das Referat für Rechtsprüfung, Sprachberatung und Allgemeines Verwaltungsrecht im BMJV, das die Reihe der Symposien zur Verständlichkeit von Rechtsvorschriften seit 2012 ausrichtet. Zu diesem Referat gehört auch die Gesetzesredaktion, bestehend aus den Sprachexperten und -expertinnen des (hauseigenen) Sprachbüros und des (beauftragten externen) Redaktionsstabs Rechtssprache, die seit nunmehr über 10 Jahren in den Prozess der bundesdeutschen Gesetzgebung einbezogen sind. Entsprechend freudig begrüßten die beiden die vielen zugeschalteten Interessierten aus 25 Mitgliedstaaten des Europarates, von den verschiedenen Institutionen des Europarates und der Europäischen Union sowie aus Lehre und Wissenschaft. Sie drückten ihre Hoffnung aus, dass den Teilnehmern die hier vorgestellten Ideen auch dieses Mal wieder Anregung und Ansporn sein mögen.

 

2.2 Panel 1: Verständliche Gesetze als Herausforderung für die legistische Arbeit

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Den ersten Vortrag hielt die Leiterin des Referats für Gesetzgebungsakte/Planung vom Legal Service (JUR) des Rates der Europäischen Union, Manuela Guggeis. Unter dem Titel „The Experience of the Council of the EU in Improving the Comprehensibility of the European Legislation” sprach sie u.a. darüber, wie ihrer langjährigen Erfahrung zufolge beim Rat für mehr Verständlichkeit gesorgt wird. Neben guten und erfahrenen Leuten und ausreichend Zeit für die Bearbeitung von Entwürfen – das sind erwartbare Voraussetzungen für jedes gute Management und auch für das im Dienste der Verständlichkeit – brauche es ihrer Meinung nach auch effiziente Abläufe und Werkzeuge sowie eine funktionierende Kommunikation im Verfahren. Interessant waren auch die von ihr erwähnten Priorisierungsmethoden, die bei höchster Auftragslage die Arbeit erleichtern bzw. ermöglichen sollen.

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Auf die EU-Perspektive folgte die Sicht von Professor Karine Gilberg, die das Büro für Internationale und Europäische Angelegenheiten im französischen Wirtschafts- und Finanzministerium leitet. In ihrem Vortrag „L’intelligibilité en droit français: une pratique à reconsidérer” erinnerte sie daran, dass (theoretisch) alle Gesetze der Forderung nach Verständlichkeit unterworfen seien, die Wirklichkeit jedoch weiterhin aus etlichen unverständlichen Gesetzen bestehe. Sie gab Einblicke in die im französischen Recht derzeit geübte Praxis, Verständlichkeit zu generieren, und warum diese Praxis überdacht werden müsse. Für die Untersuchung der kollektiven Tätigkeit des Setzens und Umsetzens von Recht schlug sie u.a. einen empirischen Ansatz vor, der gute und schlechte Erfahrungen nicht nur in Leitfäden bündelt. Als Beispiel für die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Adressatengruppen von Rechtsvorschriften, deren Erfahrungen einzubeziehen seien, nannte sie u.a. ein Formular über Rechte von Personen, die in Polizeigewahrsam genommen werden. Dieses bisher wenig verständliche Formular müsse unbedingt verständlicher werden, damit alle Beteiligten in der bezeichneten Stresssituation wüssten, was sie tun sollen und dürfen – und was nicht.

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Es folgte der Vortrag „Catching the Blue Bird: Estonian Approach“. Margit Juhkam, Leiterin des Referats für die Qualität der Rechtsetzung im estnischen Justizministerium, machte schon mit dem Titel ihres Vortrags klar, dass die Arbeit an der Verständlichkeit eine Quadratur des Kreises ist, und illustrierte dies mit ihren Erfahrungen. Auch in Estland seien unverständliche oder schwerverständliche Gesetze eine stete Quelle für Unmut in der Bevölkerung; die Verständlichkeit des Rechts erscheine so unerreichbar wie eben die Quadratur des Kreises (was die sinngemäße Übersetzung der Redewendung mit dem Vogelfang wäre). Sie betonte, dass Gesetze immer nur eine Ultima ratio sein sollten, da sie ganz sicher nicht immer nötig seien. Für „gute“ – also nötige, verständliche und gut anwendbare – Gesetze sollten Legisten künftig die gesetzgeberische Absicht klar erkennbar machen und eine gründliche Gesetzesfolgenabschätzung (GFA) vornehmen. Als Qualitätsgarant guter Gesetze nannte sie weiterhin eine (künftig wohl häufiger stattfindende) Ex-post-GFA, für die auch Künstliche Intelligenz eingesetzt werden solle, sowie die entsprechende Qualifikation von Legisten.

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Von Tallin wurde nach Ljubljana geschaltet. Von dort beschrieb Dr. Gordana Lalić, Senior Legal Adviser im slowenischen Regierungsbüro für Gesetzgebung, ihre Befürchtung, der „XML editor” könne den Unterschied zwischen den Referenzarten (den Arten von Verweisungen) eliminieren: „When the Unification Becomes a Focal Point of Misunderstanding“.

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Den Abschluss des ersten Panels bildete der Beitrag aus Linz. Professor Wolfgang Steiner leitet im Amt der Oberösterreichischen Landesregierung die Direktion Verfassungsdienst und thematisierte in seinem Vortrag „Verständlichkeit und Qualitätskontrolle bei der Gesetzgebung in Krisensituationen“ hochaktuell, wie in der Corona-Pandemie entstehende Gesetze geprüft werden – und auch: wie nicht. Gerade in Krisenzeiten sei die Verständlichkeit von Gesetzen wichtig, und so ging es u.a. darum, was die Abläufe in Krisenzeiten uns über Verständlichkeitssicherung in „normalen“ Zeiten lehren können.

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In der Abschlussdiskussion zu Panel 1 wurde u.a. nach dem wirksamsten Mittel gefragt, um zu verständlicheren Gesetzen zu gelangen. Alexandra Kratz beschrieb dazu 3 „Mittel“: Zum einen muss für die Bearbeitung von Texten genügend Zeit vorhanden sein, was bei immer kürzer werdenden Fristen oft nicht mehr gegeben ist. Zum anderen muss dieser Prozess optimal institutionell eingebunden und zudem kooperativ – zwischen den verschiedenen Textexperten – organisiert sein. Nach einem Beispiel für gelungene Arbeit im Dienste der Verständlichkeit im letzten Jahr gefragt, nannte sie die zunehmend frühe Einbindung der Gesetzesredaktion als Erfolg. Einige Panelisten erwähnten, dass gute Gesetze entstünden, wenn die Adressaten der Gesetze nicht aus dem Blick gerieten. Alle Panelisten betonten, dass gute Gesetze gelängen, wenn die Legisten zusammenarbeiteten und „Co-Creation“ zwischen den verschiedenen Experten zur guten Gewohnheit werde, was ab und zu schon zu beobachten sei.

 

2.3 Panel 2: Verständliche Gesetzestexte – verschiedene Aspekte der Textarbeit

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Zum 2. Panel begrüßte der Co-Veranstalter, Gianni Buquicchio, Präsident der Europäischen Kommission für Demokratie durch Recht (Venedig-Kommission).

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Für den ersten Vortrag ging es in die Schweiz. In der Berner Bundeskanzlei wartete schon Dr. Rebekka Bratschi, deren Vortrag den Auftakt des 2. Panels bildete. Als erfahrene Gesetzesredaktorin und Übersetzerin der Sektion Deutsch der Zentralen Sprachdienste demonstrierte sie an einigen Beispielen, wie die Gesetzesredaktion im Dienste der Verständlichkeit zwischen Normtext und Begründung (schweizerisch: „Botschaft“) unterscheidet: „Verständlichkeit dank Arbeitsteilung: Das Gesetz befiehlt, die «Botschaft» erklärt“. Alles, was nicht normativen Charakter hat, gehöre nicht ins Gesetz, sondern in den Begleittext ‚Begründung‘ bzw. schweizerisch „Botschaft“, die sich (auch) an Parlament, Medien und Bürger richtet. Dort platzierte Erläuterungen, Beispiele und „motivierende Textelemente“ würden nicht nur die Verständlichkeit der Normen verbessern, sondern auch deren Akzeptanz erhöhen können.

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Aus der Schweiz ging es zur Universität Siegen, an der Professor Friedemann Vogel die Professur für Germanistische Linguistik, Sozio- und Diskurslinguistik: Korpusmethoden innehat. In seinem Vortrag stellte er „Ergebnisse der Evaluation zum Einfluss der gesetzesredaktorischen Arbeit auf die Verständlichkeit von Rechtsvorschriften des Bundes“ vor. Dieser kleine Vorgriff auf die erste rechtslinguistisch fundierte empirische Studie zur gesetzesredaktionellen Praxis in Deutschland weckte große Neugier, die Veröffentlichung des Abschlussberichts wird den zahlreichen Rückfragen aus dem Auditorium zufolge – auch international – mit Spannung erwartet.

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Im dritten Vortrag des Panels ging es um einen ganz anderen Aspekt der Textarbeit: „Text und Kontext – Möglichkeiten und Grenzen einer Algorithmisierung der Rechtssprache“. Professor Margrit Seckelmann, Geschäftsführerin des Deutschen Forschungsinstituts für öffentliche Verwaltung in Speyer, ging von der Algorithmisierung von Verwaltungsentscheidungen aus, um dann über Möglichkeiten nachzudenken, nicht nur die Rechtsprechung, sondern auch die Rechtssprache zu automatisieren. Sie ging u. a. von der Beobachtung aus, dass die Gesetzessprache eine Fachsprache sei, die sich an spezielle Adressaten (Bürger, Verwaltung, Gerichte …) wende und wohl auch deshalb oft den Anschein der Unverständlichkeit erwecke. Um die Komplexität von Gesetzessprache zu erfassen (oder gar zu reduzieren), müsse die Künstliche Intelligenz (KI) schon im Entwurfsstadium quasi als neuer Adressat mitgedacht werden – etwa um die Maschinenlesbarkeit von Gesetzen zu gewährleisten.

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In der Abschlussdiskussion zu Panel 2 griff Professor Vogel die Gedanken zum Einsatz von KI im Dienste der Verständlichkeit von Gesetzen auf und schlug u.a. vor, innerhalb der Begründung eventuell einzelne Abschnitte für die verschiedenen Adressaten von Gesetzen vorzusehen. Dies setze aber voraus, dass man sicher wisse, wer welche Gesetze anwendet. Auch dafür – wie für die auch in der vorgestellten Evaluation spannende Adressatenfrage insgesamt – brauche es weitere Forschung.
 

2.4 Panel 3: Ansätze für Aus- und Fortbildung von Legisten

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Nach der Begrüßung durch den Co-Veranstalter, Professor Jörg Polakiewicz, dem Leiter der Abteilung für Rechtsberatung und Völkerrecht beim Generalsekretariat des Europarates, widmete sich das 3. Panel der Aus- und Fortbildung von Legisten.

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Professor Jon Christian F. Nordrum, Außerordentlicher Professor für Rechtsetzungslehre und -sprache an der Universität Oslo, beschrieb in seinem Vortrag „Teaching Law Students How to Write Legislation“ über das Gesetzgebungslabor für Jurastudenten eindrucksvoll das Bestreben, verständliche Gesetzestexte gemeinsam mit externen Partnern zum universitären Lehrgegenstand zu machen. Jedoch sei das Jura-Studium bisher nicht dazu geeignet, die Komplexität von Gesetzgebung zu lehren. In seinem Gesetzgebungslabor schreiben Studenten Entwürfe mit Blick auf tatsächliche Probleme – und zwar gemeinsam mit außeruniversitären Partnern, wie Interessenverbänden, NGOs und Stadtverwaltungen. Das Labor ist Teil eines größeren Projekts zwischen den Disziplinen Rhetorik, Linguistik und Rechtswissenschaften und soll der „echten“ Rechtsetzung Impulse geben. Eine Kooperation mit anderen Ländern wäre wünschenswert, mit Deutschland auch wegen der gemeinsamen Rechtstradition.

(Das ist gerade mit Blick auf die bundesdeutsche Situation interessant, in der seit einigen Jahren versucht wird, eine legistische Ausbildung nach der universitären Phase, also in der Gesetzgebung, zu installieren.)

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Den Abschluss des Panels bildete Dr. habil. Benedikt Lutz, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Department für Wissens- und Kommunikationsmanagement an der Donau-Universität Krems, mit seinem Vortrag „Usability Engineering: Interdisziplinäre Beiträge für eine verständlichere Rechtssprache“. Er stellte darin mehrere Methoden aus dem eher technischen Bereich des Usability Engineerings vor, die er auch dafür geeignet hält, Rechtstexte besser zu gestalten. Als Beispiel nannte er sog. Customer Journeys mit Personas: Die Modellierung von Zielgruppen könnte etwa auch bei der für „Normalbürger“ üblicherweise schwierigen Einkommensteuererklärung helfen, diese zu vereinfachen. Ein weiteres Beispiel war das sog. Rollenbasierte Reviewen von Texten, was auf der Erfahrung basiert, dass 3 bis 5 Experten für verschiedene Fachgebiete ca. 80 Prozent aller Probleme eines Textes finden. Ein Text solle also nicht einfach nur den Prozess des Korrekturlesens durchlaufen, sondern separate Experten sollen etwa die Rechtschreibung, die Fakten, die Verweise eines Textes etc. prüfen. (Ein Verfahren, das im BMJV-Referat IV A 6 bereits funktioniert, wo jeder Entwurf immer mindestens dreierlei Prüfung erfährt: in juristisch-systematischer Hinsicht, mit Blick auf seine rechtsförmliche Gestaltung und hinsichtlich der sprachlichen Richtigkeit und der Verständlichkeit des gesamten Entwurfs.)

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Die Abschlussdiskussion zu Panel 3 bot Zusammenfassung und Ausblick. Professor Xanthaki erinnerte etwa in einem historischen Rückblick daran, dass die Legistik auch durch das Britische Empire entstanden sei, wo den jeweiligen Einheimischen – im damals üblichen Sinne – erst beigebracht werden musste, wie Gesetze geschrieben werden. Auf die fazitartige Frage, welche Voraussetzungen denn nötig seien, um ein gutes Gesetz zu schreiben, meinte Elke Schade, dass es für das Entwerfen von Gesetzestexten nicht schädlich sei, ein Jurist zu sein, die Rechtsetzung in der juristischen Ausbildung – zugunsten der in erster Linie gelehrten Rechtsanwendung – aber leider immer noch vernachlässigt werde. Professor Nordrum ergänzte, dass eine Vielfalt an Qualifikationen nötig sei: neben der juristischen auch eine praktische, außerdem noch Managementqualifikationen und Sprachexpertise. Dr. Lutz bestätigte dies und betonte, dass diese verschiedenen Qualifikationen im besten Fall nicht nacheinander einen Entwurf verbessern, sondern bereits im Entstehen des Entwurfs zusammenkommen sollten. Dazu beitragen würde auch eine Sprachausbildung innerhalb des Jura-Studiums, die mehr als das Wissen von Stilfibeln umfasst.

 

2.5 Schlusswort

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Die Staatssekretärin des BMJV, Dr. Margaretha Sudhof, beendete den Plenumsteil mit einem Schlusswort, in dem sie darauf verwies, dass Recht und Sprache eng miteinander verzahnt und die Grenzen und Möglichkeiten der Rechtssprache also weiter zu erforschen und zur Verbesserung unserer Gesetze zu nutzen seien. Denn gute Gesetzgebung und damit verständliche Gesetze seien – gerade in Zeiten von Angriffen auf den Rechtsstaat – wichtig für das Vertrauen der Bevölkerung in den europäischen Gedanken. Die internationale und interdisziplinäre Arbeit an der Qualität und auch der Verständlichkeit der Gesetze sei daher keine Projektarbeit, sondern eine Daueraufgabe. Sie dankte allen auf diesem Feld Tätigen und erwähnte als Beispiele für schon erreichte Erfolge komplexe Programme zur besseren Rechtsetzung, praktische Instrumente und Methoden zur Verbesserung der sprachlichen Qualität sowie die in Teilen bereits vorhandene legistische Ausbildung von Rechtsetzern.

 

3 Poster-Session

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Am Nachmittag hatten auch viele derjenigen, deren Beitrag wegen der verkürzten Tagung nicht als Plenumsvortrag berücksichtigt werden konnte, 45 Minuten lang die Gelegenheit, ihre bearbeitete Thematik als Poster in einem eigenen Chat-Raum zu präsentieren und mit den Teilnehmern zu diskutieren.

 

4 Fazit

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Die virtuelle Veranstaltung war ein Experiment und wurde – bezogen auf die Umstände – ein Erfolg. Alle elf über Europa verteilten Referenten und Grußwortsprecher mussten sich durch das neue Format allerdings extrem stark fokussieren, denn es gab jeweils nur wenige Minuten Vortragszeit. Die Vorträge auf Deutsch, Englisch und Französisch, die Paneldiskussionen sowie die Poster-Session am Nachmittag hatten durchschnittlich 200 bis 300, zeitweise über 500 Zuschauer bzw. Teilnehmer. Die hohen „Einschaltquoten“ führten zu einem teils lebendigen Chat, in dem auch auf weiterführende Quellen hingewiesen wurde. Natürlich erforderte so eine gedrängte virtuelle Veranstaltung – statt der geplanten 3 Analogtage war es nun nur ein einziger Tag – strikte Vorbereitung auf Veranstalterseite sowie Disziplin und Ausdauer auf der Teilnehmerseite. Aber die Moderatorin Conny Czymoch führte professionell durch den Tag, der durch Filmeinspieler (zu Berlin, Straßburg, dem Rechtsstaat) und Umfragen immer wieder aufgelockert wurde. Die Teilnehmer konnten die jeweiligen Voting-Ergebnisse direkt am Bildschirm verfolgen, auch das half hoffentlich dabei, über den gesamten Tag hinweg wach und neugierig zu bleiben.

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Trotz der Distanziertheit durch das Online-Format konnten die Symposiumsteilnehmer sich darüber austauschen, welche aktuelle Entwicklungen, Probleme und Initiativen es in den verschiedenen Ländern gibt, um Rechtsvorschriften verständlich zu machen – und zwar sowohl für professionelle Rechtsanwender als auch für die Allgemeinheit. Die Veranstaltungsreihe wurde auf diese Weise nicht unterbrochen, allerdings hoffen wir auf „echte“ Begegnungen für das 6. Symposium. Möglicherweise ließe sich dann ein Vorteil der virtuellen Form – die große Reichweite – in das analoge Format integrieren, indem etwa ausgewählte Vorträge oder eine Diskussion für Teilnehmer außerhalb von Berlin gestreamt werden würden.